"Keine Angst vor Überkapazitäten" - Rolf Kaufmann
Herr Kaufmann, wo liegen für MVA-Betreiber Chancen und Risiken beim Bau von Klärschlamm-Verbrennungsanlagen?
Mit der langjährigen Erfahrung in der Klärschlammmitverbrennung und dem Wissen aus dem Anlagenbau bietet die Klärschlammverwertung für MVA-Betreiber ein interessantes Geschäftsfeld. Zumal die Klärschlammverbrennung einen alternativlosen Mehrwert in Bezug auf Schadstoffentfrachtung und Hygenisierung bietet. Dabei ist es wichtig, dass im Umfeld der Standorte das vorhandene Mengenpotenzial und Synergieeffekte identifiziert und mit Kommunen passgenaue Lösungen erarbeitet werden, um auch dem Kundenwunsch nach langfristiger Entsorgungssicherheit und Gebührenstabilität zu entsprechen.
Wie stark senken die Synergien mit der vorhandenen thermischen Anlage die Kosten?
Durch die Synergien lassen sich die Verwertungskosten deutlich senken, insbesondere, wenn Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen an bestehende Anlagen angeschlossen werden. Beispiels- weise kann durch die vorhandene Infrastruktur Personal an der Leitwarte und der Waage mitgenutzt werden, aber auch Energie- oder Lager- und Materialkosten für Roh- und Hilfsstoffe können reduziert werden. Darüber hinaus bieten Anlagennetzwerke wie bei EEW in Deutschland und im benachbarten Ausland deutliche Vorteile im Bereich der Logistik und stellen einen hilfreichen Ausfallverbund dar.
Haben Sie keine Sorge vor Überkapazitäten, wenn jetzt so viele Anlagen gebaut werden?
Die Frage spielt vermutlich auf eine Studie von trend: research an, wonach mit rückläufigen Klärschlammmengen und Überkapazitäten bei der Klärschlammverbrennung zu rechnen sei. Von Überkapazitäten zu reden und als Kommune derzeit deutschlandweit den Entsorgungsnotstand auszurufen, noch bevor erste Anlagen überhaupt am Markt aktiv sind, ist aus unserer Sicht schwer nachvollziehbar.
Welche Auswirkungen hat die absehbare Abschaltung der Kohlekraftwerke, die heute einen großen Teil der Mitverbrennungs-Kapazitäten ausmachen?
Aktuell wird der Klärschlamm in Deutschland zu rund 50 Prozent thermisch verwertet, ein Großteil durch Mitverbrennung in Kohlekraftwerken. Deshalb sind die Auswirkungen nicht zu unterschätzen! Beispielsweise sind im Braunkohlekraftwerk Buschhaus in der Nähe von Helmstedt, das seit 2016 in Sicherheitsbereitschaft ist, mehr als 100.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr mitverbrannt worden. Aber auch die gesetzliche Vorgabe zur Phosphorrückgewinnung erschwert die Mitverbrennung in Kohle- kraft- und Zementwerken und in Abfallverbrennungsanlagen. Hier ist allein die Klärschlamm-Monoverbrennung zukunftsfähig. Deshalb wird zum Beispiel die EEW am Standort der Abfallverbrennungsanlage Buschhaus Ende 2021 eine Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage in Betrieb nehmen.
aus: ITAD-Jahrbuch 2018